INFOS
Erschienen: 22/05/17
Verlag: cbj
Seitenzahl: 192
ISBN: 978-3570174371
Preis: 14,99€ [D]
ZUM AUTOR
Reiner Engelmann wurde 1952 in Völkenroth geboren. Nach dem Studium der Sozialpädagogik war er im Schuldienst tätig, wo er sich besonders in den Bereichen der Leseförderung, der Gewaltprävention und der Kinder- und Menschenrechtsbildung starkmachte. Nebenher veröffentlichte er Bücher, vorwiegend zu sozialen Brennpunktthemen. Für Schulklassen und Erwachsene organisiert Reiner Engelmann regelmäßig Studienfahrten nach Auschwitz. Bei einem dieser Aufenthalte lernte er auch Wilhelm Brasse kennen.
Quelle: cbj
INHALT
Spät in der Nacht machen sich drei Freunde auf den Weg, um einen Molotowcocktail in ein Flüchtlingswohnheim zu werfen. Die Bewohner entkommen dem Feuer knapp, doch psychische Folgen greifen zuweilen tiefer, als physische. Die Täter werden gefasst und verhört, sie sind sich keiner Schuld bewusst.
Was motiviert Menschen zu solchen Gewalttaten? Welche Geschichten haben die Täter? Und was haben die Flüchtlinge zu erzählen?
Reiner Engelmann macht sich auf die Suche nach den Hintergründen einer grausamen Tat. Auf Basis einer wahren Begebenheit offenbart er, den Hass der unter der Oberfläche unserer Gesellschaft brodelt und macht aufmerksam auf ein Thema, dem (zu) lange Zeit kaum Beachtung geschenkt wurde.
MEINUNG
Vorab ist zu sagen, dass es sich bei diesem Buch nicht um eine fiktive Geschichte handelt. Reiner Engelmann hat die Hintergründe einer rechtsextremen Tat recherchiert und rekonstruiert Täter, Opfer und Tathergang möglichst authentisch. Als Grundlage dienten ihm Interviews mit Tätern, Opfern und Aussteigern aus der rechten Szene.
In drei Abschnitten schildert der Autor Fluchtgeschichten, Tathergang und den Prozess. Im Anhang finden sich Hinweise Symbole, Marken, Musik und weiteres aus der rechtsextremen Szene. Die Informationen sind kurz und prägnant dargestellt und liefern Anreize zum Weiterdenken, ohne dass das Buch dabei den Charakter eines Sachbuchs annimmt. Der Schreibstil ist einfach, schnörkellos und konzentriert sich auf das Wesentliche.
Als besonders gelungen empfand ich den Einstieg in die Thematik durch die Schilderung unterschiedlicher Fluchtgeschichten. Menschen, die vor Grausamkeit und Elend fliehen suchen in Deutschland Sicherheit und eine Zukunft und stoßen schließlich auf den Hass rechtsextremer Gruppierungen. Ihr Zufluchtsort scheint bedroht, neue Ängste werden geschürt.
Auch die Täter werden in einem ständigen Perspektivwechsel (von einem zum nächsten Täter) beleuchtet. Und schließlich zeigt sich, wie schnell Worte zu Taten werden, während die Ignoranz anderer den Tätern zugleich Spielräume eröffnet.
Mit seinem Buch greift Reiner Engelmann eine wichtige Thematik auf und bleibt dabei zu jeder Zeit sachlich. Täter wie Opfer werden ohne Wertung illustriert, es ist Aufgabe des Lesers Weiterzudenken, die eigene Perspektive zu erweitern und womöglich das eigene Handeln zu überdenken. Das abschließende Urteil des Gerichts ist eindeutig und beendet zugleich die Schilderung der Vorkommnisse.
Ein ausführliches Nachwort greift Fluchtursachen und Ängste rechtspopulistischer Gruppierungen auf und mündet schließlich in der Erkenntnis: auch der Holocaust kam nicht von ungefähr.
Viele kleine Dinge seien es gewesen, die sich im Laufe der Jahre aufgetürmt hätten. Das Schlimmste sei der Hass gewesen. (S.170)
Anschlag von rechts eignet sich als Freizeitlektüre für Jugendliche und junge Erwachsene, ebenso wie für die Integration in den schulischen Unterricht. Eine Wertung fällt mir schwer, da ich abseits der Zielgruppe des Buches liege und durch mein Studium bereits recht tief in das Thema Rechtsextremismus und Fremdenhass eingestiegen bin. In der Lektüre fehlten mir allerdings einige Informationen, das Thema hätte durchaus breiter behandelt werden können – selbst für eine jüngere Leserschaft.
Eine absolute Buchempfehlung gibt es hingegen, für alle die sich hier einer für sie völlig neuen Thematik widmen.